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Atlantiküberquerung – Die richtige Strategie

Zwischen 2013 und 2016 habe ich neun Transatlantik-Rallyes organisiert. Diese starteten entweder von den kanarischen Inseln Lanzarote, Teneriffa und La Palma oder der Kapverdischen Insel Sao Vicente. Zielorte waren die karibischen Inseln Martinique, Grenada oder Barbados. Gestartet wurde wahlweise im November oder im Januar. Ein netter Begleiteffekt der Organisation dieser neun Rallyes ist, dass ich nun einen guten Überblick habe, welche Wettersituationen in den Wintermonaten während einer Atlantiküberquerung zu erwarten sind.

Zwei Erkenntnisse sind mir besonders wichtig: Erstens hatte jede Überfahrt andere Wetterbedingungen. Diese reichten von stabilen Passatwinden über Schwachwind-Phasen bis hin zu größeren Flauten. Zweitens kann der Klimawandel nicht länger ignoriert werden. Die Tage, an denen man verlässlich mit konstanten Passatwinden eine solche Überfahrt planen konnte, gehören leider der Vergangenheit an.

Aufgrund dieser Veränderungen habe ich mich entschlossen, meine Erkenntnisse an dieser Stelle mit anderen Seglern zu teilen und aufzuzeigen welche Möglichkeiten in der heutigen Zeit bestehen, den Atlantischen Ozean möglichst komfortabel zu überqueren.

Zunächst einmal scheint es keinen großen Unterschied zwischen einem Start im November oder Januar zu geben – die Entscheidung hängt hier wohl eher von persönlichen Gründen als vom Wetter ab.

Wer von den Kanaren startet, hat im Prinzip zwei Möglichkeiten: Entweder segelt man auf direktem Kurs in die Karibik oder aber man nimmt einen kleinen Umweg und folgt damit einer weit verbreiteten Strategie. Sie lautet: Die Kanaren mit einem Kurs in südwestlicher Richtung verlassen und so weit nach Süden segeln, dass die Kapverdischen Inseln in einem Abstand von rund 200-300 Seemeilen passiert werden. Anschließend geht es auf direktem Kurs in Richtung Karibik. Für gewöhnlich bringt dies stabilere und konstante Winde aus dem achterlichen Sektor mit sich.

Diese Strategie scheint nach wie vor die beste Option zu sein und weiterhin Gültigkeit zu besitzen. Mehr noch: Ich möchte diese Strategie sogar ausdrücklich empfehlen, da sie es erlaubt gegebenenfalls einen Stopp auf den Kapverden einzulegen – was nicht selten von Nöten ist.

Bei jeder Rallye gab es bisher Schiffe, die unerwartet einen Stopp auf der kapverdischen Insel Sao Vicente in der Marina von Mindelo eingelegt haben. Die Gründe dafür waren recht vielseitig. In den meisten Fällen handelte es sich jedoch um technische Probleme mit dem Autopilot, dem Motor, der Ruderanlage, dem Dieselgenerator oder den Segeln. Immer wieder gab es auch persönliche Probleme an Bord, wie Gesundheit oder Zwischenmenschliches. Und nicht zuletzt hatten einige Rallye-Teilnehmer den Dieselverbrauch zwischen den kanarischen Inseln und den kapverdischen Inseln deutlich unterschätzt. Sie legten einen Zwischenstopp ein um ihre Dieselvorräte aufzufüllen.

Auf das Thema „Dieselvorrat“ möchte ich ganz bewusst alle Crews aufmerksam machen, die planen die Atlantiküberquerung nonstop zu segeln. Nicht selten kommt es vor, dass der Motor viel mehr benötigt wird, als erwartet, da heutzutage – wie bereits erwähnt – öfter als früher, Zonen mit schwachem Wind oder gar Flauten durchquert werden müssen. Es sollte in daher immer ausreichend Diesel an Bord mitgeführt warden

Kommt es zu einem Stopover auf den Kapverden, ist die Marina in Mindelo ein hervorragender Ort dafür. Es gibt gute Reparaturmöglichkeiten und Serviceeinrichtungen. Außerdem gibt es von Mindelo Direktflüge nach Portugal (Lissabon) mit entsprechenden Anschlussverbindungen zu vielen europäischen Städten.

Mindelo marina

Zudem sind die Inseln ein wunderbares Segelrevier, das immer noch sehr unerschlossen ist und eine Vielzahl an Attraktionen bietet.

Vorherrschende Winde

Wichtig zu beachten ist, dass die vorherrschenden Winde zwischen den Kanaren und den Kapverden aus nordöstlicher Richtung wehen. Dies sind jedoch keine Passatwinde. Selbige wehen erst in südlicheren Gefilden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der erste Teil einer Atlantiküberquerung nicht zwingend von konstanten Windeln geprägt ist.

Erst ab dem Erreichen der Kapverden, kann heutzutage für gewöhnlich mit konstanten Passatwinden gerechnet werden. Daher möchte ich noch einmal betonen, dass es aus strategischer Sicht ratsam ist, einen Kurs zu wählen, der dicht an den Kapverden vorbeiführt. Es gibt immer wieder Crews, die von den Kanaren aus den direkten Kurs zur Karibik wählen. Natürlich ist diese Variante 100 bis 200 Seemeilen kürzer, aber ich halte sie wie gesagt für bedenklich.

Im Oktober und November 2016 hatten wir 33 Crews in unserer Rally Barbados 50 Odyssee, die während der Atlantiküberquerung einen geplanten Stopp auf den Kapverden eingelegt haben. Die eine Hälfte von ihnen hat verschiedene Inseln angesteuert, während die andere Hälfte nur in Mindelo stoppte. Während die meisten Transatlantik-Rallyes in der Vergangenheit von den Kanaren direkt in die Karibik führten, setzen heutzutage immer mehr Veranstalter die Kapverden mit auf das Programm.

Auch wir tragen diesem Trend Rechnung und bieten für 2017 für die Teilnehmer unserer Islands Odyssee wieder zwei Möglichkeiten an: Crews können entweder nonstop von den Kanaren nach Barbados segeln oder aber einen Stopp auf den Kapverden einlegen. All jenen, die einen längeren Aufenthalt auf den Kapverden planen, empfehlen wir mehrere Inseln anzusteuern. Alle anderen Segler finden in Mindelo eine gute Möglichkeit noch einmal die verschiedenen Systeme an Bord zu überprüfen, die Vorräte aufzufüllen und sich zu erholen, bevor es – auf der dann vergleichsweise kürzeren Strecke von 2000 Seemeilen – über den Ozean nach Barbados geht.

Darüber hinaus bietet die Zubringer-Reise von den Kanaren zu den Kapverden eine gute Möglichkeit herauszufinden, was an Bord langfahrttechnisch funktioniert und was nicht. Wie bereits erwähnt, hatten wir bisher auf jeder Überfahrt Schiffe, die einen ungeplanten Stopp auf den Kapverden eingelegt haben, um Reparaturen durchzuführen.

Auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans ist Barbados die erste Insel, die erreicht wird, wenn man Kurs auf die Karibik nimmt. Die Serviceeinrichtungen und Reparaturmöglichkeiten auf Barbados werden täglich besser und der internationale Flughafen erlaubt regelmäßige Flüge nach Europa und Nordamerika sowie zu anderen karibischen Inseln. Barbados ist somit ein guter Ort für einen Crewwechsel oder für ein Treffen mit der Familie.

Der Form halber sei darauf hingewiesen, dass es nicht ratsam ist, Flüge zu buchen, die die Segelcrew unter Zeitdruck bezüglich der Ankunft in der Karibik setzen. Es sollte immer die Möglichkeit gegeben sein Schwierigkeiten auf See mit Zeit begegnen zu können. Daher rate ich grundsätzlich alle Flugtickets in einem Tarif zu buchen, der ein kostengünstiges Stornieren oder Umbuchen erlaubt.

Und nicht zuletzt sei erwähnt, dass Barbados eine amerikanische Botschaft hat. Hier können unkompliziert Visa beantragt werden, wenn die USA auf dem Törnplan stehen

Bridgetown, Barbados: Odyssey Yachts moored in the Inner Basin – Photo: Peter Marshall

Dauer der Atlantiküberquerung

Im Hinblick auf die Dauer der Überfahrt habe ich mir einmal die Mühe gemacht und Nonstop-Atlantikpassagen mit jenen verglichen, die einen Stopp auf den Kapverden beinhalten. Als Basis hierfür habe ich die verschiedenen Transatlantik-Rallyes genommen, die wir in den vergangenen Jahren organisiert haben.

Ohne Stopover

Die durchschnittliche Nonstop-Atlantikpassage mit einer Länge von 2700 Seemeilen hat 22 Tage gedauert – 19 Tage die schnellste und 25 Tage die langsamste. Die durchschnittliche Geschwindigkeit lag bei 4,9 Knoten.

An average time of 22 days on a direct passage of 2700 miles from Tenerife to Barbados at an average speed of 4.9 knots

Mit Stopover

Die Atlantikpassage mit Stopp auf den Kapverden hatte die folgenden durchschnittlichen Zeiten::

  • Von den Kanaren zu den Kapverden nach Mindelo (830 Seemeilen) 7 Tage – 5 Tage die schnellste und 9 Tage die langsamste. Die durchschnittliche Geschwindigkeit lag bei 4,9 Knoten.
  • Von Mindelo nach Barbados (2020 Seemeilen) im Durchschnitt 15 Tage – 11 Tage die schnellste und 17 Tage die langsamste. Die durchschnittliche Geschwindigkeit lag bei 5,3 Knoten (Ausnahme: Ein Schiff hat 23 Tage benötigt, um von den Kapverden nach Barbados zu gelangen, da es einen Maschinenschaden gab und die gesamte Distanz bei leichten Winden ausschließlich unter Segeln zurückgelegt wurde).

In der Regel haben Crews, die Mindelo angesteuert haben, dort drei Tage verbracht. Daraus ergibt sich eine Gesamtreisezeit von durchschnittlich 25 Tagen. Das sind drei Tage mehr als auf der Nonstop-Atlantiküberquerung. Die Differenz entspricht der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer auf den Kapverden.

Um meine Gedanken zu untermauern, folgen einige Tracking-Grafiken von unserer Webseite.

Tag 5 nach dem Start von Teneriffa: Die meisten Crews gehen es sicher an und wählen einen Kurs, der dicht genug an den Kapverden vorbeiführt und somit einen spontanen Stopp in Mindelo erlaubt.

Tag 9: Einige Schiffe haben in Mindelo angehalten und die Reise nach einer Pause fortgesetzt. Andere Schiffe sind auf einem direkten Kurs Richtung Barbados unterwegs und dabei teilweise so weit nördlich gesegelt, dass sie die Möglichkeit eines Stopps in Mindelo sowie die Aussicht auf stabilere nordöstliche Winde in südlicheren Breiten verpasst haben.

Tag 14.

Tag 16: die Schiffe nähern sich Barbados und jene Crews, die die nördliche Route gewählt haben, sind nicht zwingend schneller – zumal sie ihren Motor deutlich mehr benutzt haben als die anderen Schiffe.

Tag 20: die schnellsten Schiffe sind angekommen oder nahe dem Ziel Barbados.

Tag 28: mit Ausnahme eines Schiffes, haben alle Crews, die in Mindelo angehalten haben, Barbados erreicht.

Tag 18 der Barbados 50 Odyssee im November 2016: Das Tracking zeigt deutlich, dass ein Stopp auf den Kapverden in der Regel eine Überfahrt in einem Feld mit stabilen Passatwinden garantiert. Bis auf drei Schiffe (überdurchschnittlich lange Aufenthalte in Mindelo oder Motorprobleme) sind 30 der 33 Crews auf Barbados angekommen.

Fazit

Mit Bezug auf die vorstehend angeführten Punkte, glaube ich dass ein Stopp auf den Kapverden im Rahmen einer Atlantiküberquerung gerechtfertigt ist, unabhängig davon ob er durch externe Faktoren wie technische Probleme vorgegeben wird oder aber aus freien Stücken von der Crew eingeplant wird, um die Überfahrt in die Karibik in zwei kürzere und in der Folge meistens einfachere Abschnitte zu unterteilen. In jedem Fall aber würde ich nicht den direkten Weg wählen, sondern immer dicht an den Kapverden vorbei segeln und mir so alle Optionen offen lassen. Safety first!.


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