Meine Entscheidung, die Elcano Challenge abzubrechen, kam sicherlich für viele, die meine Reise verfolgen, sehr überraschend, und ich kann mich nur entschuldigen für die Enttäuschung, die ich euch bereitet habe. Nach meiner kurzen Nachricht vor wenigen Tagen schulde ich euch eine detailliertere Erklärung.
In meinem langen Leben habe, soweit ich mich erinnere, noch nie ein vielversprechendes Projekt abgebrochen, und es ist sehr schmerzlich, der Niederlage ins Auge zu sehen. Aber ich bin Fatalist und wenn ich vor so einer Situation stehe, dann akzeptiere ich sie und mache weiter.
Die Welt zu umrunden auf einem elektrischen Boot auf der Route der ersten mutigen Weltumsegler, und das ohne jegliche umweltschädliche Emissionen, war so eine verlockende Chance, etwas Bedeutsames zu tun und den uns so wichtigen Umweltschutz voranzutreiben, dass meine Familie sich einig war, dass ich zugreifen sollte. Sie alle sind genauso enttäuscht wie ich und akzeptieren meine Gründe, und ich hoffe, ihr werdet das auch tun.
Bei einem elektrischen Segelboot ist der Knackpunkt nicht der Antrieb, sondern das Erzeugen von Strom durchs Segeln. Ein elektrisch betriebenes Boot nützt nichts, wenn die verbrauchte Energie nicht ersetzt werden kann; das ist die grundlegende Funktion des Oceanvolt-Regenerationssystems. Beim Segeln drehen sich die Schrauben der beiden Saildrives und erzeugen Elektrizität. Mir war versichert worden, dass wir im Durchschnitt eine Ladung von 600 Watt bei 6 Knoten und 800 Watt bei 8 Knoten erwarten könnten. Bei den Testfahrten vor La Grande Motte, der Heimat von Outremer in Südfrankreich, erreichten wir diese Werte und ich war überzeugt.
Auf unserer 1000 Meilen langen Jungfernfahrt von La Grande Motte nach Sevilla zeigte dieses System Schwächen; es kam mit dem Stromverbrauch auf einem echten Törn nicht auf die gleiche Weise zurecht wie mit einer Testfahrt auf ruhiger See. Sowohl der Autopilot als auch die Navigationsinstrumente verbrauchten Strom, und zudem die Haushaltsgeräte wie Induktionsherd, Mikrowelle, zwei Kühlschränke etc. Ich begann zu zweifeln, nachdem wir 82 Meilen in zehn Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 8,2 Knoten gesegelt waren. Die Nettoladung betrug enttäuschende 9,5 % unserer Batteriekapazität, gleichbedeutend mit 5,32 Kilowattstunden.
Glücklicherweise war Romain Guiraudou vom Outremer Design Office mit von der Partie; er hatte die Implementierung des Oceanvolt-Systems überwacht. Er schlug vor, dass wir unseren Stromverbrauch auf das absolute Minimum beschränken sollten, was wir auch taten. Unser spartanischer Lebensstil über die nächsten Tage sorgte für genug Strom, um es bis Ceuta zu schaffen, wo wir mit 12 % Batterieladung ankamen. Wir luden die Batterien auf und fuhren nach Sevilla weiter.
Ich schrieb diesen enttäuschenden Start den eigenwilligen Wind- und Wetterverhältnissen im Mittelmeer zu und erwartete, dass es auf der folgenden 700-Meilen-Passage zu den Kanaren besser laufen würde. Wir hatten unsere Lektion gelernt und taten unser Bestes, um unseren Stromverbrauch zu beschränken. Ich notierte die ganze Passage über peinlich genau mit, und die Werte blieben konstant enttäuschend. Bei Chipiona an der Mündung des Guadalquivir hatten wir noch 50 % Ladung. Als wir Teneriffa erreichen und die Motoren anwarfen, um anzulegen, waren wir bei 40 %, zwischendurch war der Wert auf alarmierende 13,5 % gefallen.
Die Passage hatte gezeigt, dass das System trotz aller Versuche, Strom zu sparen, nicht in der Lage war, genügend Energie zu erzeugen, um den Verbrauch abzudecken und die Batterien geladen zu halten. Uns wurde klar, dass wir, wenn wir den Verbrauch nicht reduzieren konnten, die Batterien komplett leer werden könnten. Um dies zu vermeiden, benutzten wir mehrere Tage die elektrischen Winschen nicht, der stromfressende elektrische Herd blieb aus und wir kochten oder erhitzten unser Essen mit einem Solarkocher. Wir reduzierten unseren persönlichen Gebrauch auf das absolute Minimum, wir kochten kein Wasser, tranken keine Heißgetränke, schalteten die zwei Kühlschränke ab und ernährten uns kalt bzw. von dem, was wir mit dem Solarkocher produzieren konnten.
Es war eine typische Hochseepassage, Leicht- und Starkwind wechselten sich ab, es war ein guter Querschnitt dessen, was wir auf den künftigen Passagen zu erwarten haben würden; wir würden nicht auf dauerhaft gute Segelbedingungen hoffen können. So wie ich es verstanden hatte, müssten wir, wenn die zwei Batteriebanken unter ein kritisches Level fielen, bei guten Segelbedingungen schnell wieder laden können. Leider wurde auf dieser Passage offensichtlich, dass die Nettoladeleistung der beiden Schrauben nicht mal annähernd ausreichte, um die Batterien innerhalb eines akzeptablen Zeitraums zu laden. Im Durchschnitt produzierten die beiden Schrauben pro Stunde ein Netto von 0,6 % der kompletten Batteriekapazität, d.h. 336 Watt.
Daraus konnte ich nur eines schließen: So, wie es war, funktionierte das Ladesystem, und damit das gesamte Konzept, nicht. Unsere Bemühungen, Strom zu sparen, halfen, aber letztlich machten sie wenig Unterschied: Selbst bei guten Segelbedingungen und hohem Tempo konnte das Ladesystem nicht mithalten. Es war eine herzzerreißende Erkenntnis – unsere Reise und damit das ganze Projekt eines autarken elektrischen Bootes konnte scheitern. Das System konnte vielleicht auf einer Passage in die Karibik unter Passatbedingungen funktionieren, oder auch auf einem Mittelmeertörn, wo man jeden Abend im Hafen nachladen kann, aber nicht auf einer so herausfordernden Route wie der, die wir planten. Es konnte auch funktionieren als Hybridversion mit einem Dieselmotor zur Unterstützung, aber das widersprach der gesamten Zielsetzung des Projekts, das ja gerade beweisen sollte, dass lange Reisen auf einem elektrischen Segelboot möglich sind.
Fairerweise muss ich sagen, dass der CEO von Outremer, Xavier Demarest, der Geschäftsleiter Stephane Grimault und auch Stephane Renard, Chef des Design Office, mir alle geraten hatten, einen Hilfsgenerator an Bord zu nehmen, und sei es nur für Notfälle. Aber ich hatte abgelehnt, da es der ganzen Idee eines Null-Emissionen-Segelboots zuwiderlief. Jetzt, im Rückblick, verstehe ich, dass das, was sie als Notfall betrachtet hatten, früher oder später die Norm geworden wäre.
Eine Entscheidung war definitiv richtig, nämlich die Entscheidung für einen Performance-Katamaran wie den Outremer 45, und diese herausfordernden 2000 Meilen unterstreichen das. Selbst bei sehr leichten Winden kamen wir ganz anständig voran, aber als eingefleischtem Einrumpfsegler imponierte mir vor allem die Leistung der Aventura Zero bei Starkwind. Am Abend vor unserem Landfall auf Teneriffa erwischten uns mehrere Sturmböen in den oberen 30ern auf der Beaufortskala. Mit dem Groß im dritten Reff und einem Drittel der Fock steckte die Aventura das locker weg. Eine große Welle erwischte uns von der Seite, ich sah die Windanzeige auf 48 Knoten hochschießen, die Aventurabeschleunigte auf 12 Knoten und surfte dem Monster davon, stabil wie ein Banketttisch. Conor, der neben mir stand, schrie: „Ich glaub’s ja nicht!“ Er hat lange Jahre als Skipper auf Charter-Katamaranen in der Karibik gearbeitet und konnte seine Begeisterung über das, was wir gerade erlebt haben, nicht zügeln. Ich ebenso wenig.
Als wir in die Marina von Teneriffa hineinsteuerten, stand mein Freund Michael Holm bereit, um die Leinen anzunehmen, der Besitzer der Anemis, der ersten Hybridversion der Garcia Exploration 45. Ich hatte ihn inspiriert, das Boot zu kaufen, ich war dabei, als sie im Juni vergangenen Jahres in Cherbourg zu Wasser gelassen wurde, und ich habe die Reisen von Michael und seiner Familie seither stets verfolgt.
Michael ist Elektroingenieur und war darum prädestiniert, die Lage zu beurteilen. Sein Urteil war eindeutig: „Jimmy, dein Konzept an sich ist stimmig, aber die Zeit ist noch nicht reif dafür. Ein elektrisches Segelboot dieser Größe kann einfach nicht genug Energie erzeugen, um die Batterieladung zu erhalten und den Verbrauch zu kompensieren, egal wie groß die Batteriebanken sind. Darum hab ich mich für eine Hybridlösung entschieden. Übrigens, nach 18 Monaten und einer Atlantiküberquerung funktioniert mein Ladesystem, mit einem elektrischen Motor mit Wellenantrieb und Faltpropeller, immer noch nicht zufriedenstellend. Genauer gesagt funktioniert es überhaupt nicht.“
Michaels Ansage führte mir vor Augen, dass ich einem Scheideweg angekommen war. Wenn wir unsere Reise auf der geplanten Route fortsetzten, würden wir notwendigerweise immer wieder anhalten müssen, um die Batterien aufzuladen. Wären wir einmal an den Kapverden vorbei, läge der nächste mögliche Stopp über 1500 Meilen entfernt, und der Äquator und die Kalmen lägen dazwischen.
Ich war zudem nicht bereit, einen Stopp in Brasilien zu riskieren, wo die Corona-Pandemie außer Kontrolle ist. Ich hatte bereits beschlossen, den Winter auf den Kanaren zu verbringen, als ich den neuesten Wetterbericht sah, der drei Tage Südwind vorhersagte. Die Versuchung war unwiderstehlich. Wir legten sofort ab und haben inzwischen die halbe Strecke nach Gibraltar zurückgelegt. Als wir Teneriffa verließen, stand Michael auf dem Steg und warf unsere Leinen los. Seine letzten Worte waren: „Jimmy, segele direkt zu Outremer und lass dir einen anständigen Dieselgenerator einbauen!“
Und das tun wir.